Eine Rezension von Chris Andersons „Makers“

makers-coverFür Generationen von Marxisten, Gewerkschaftern und Arbeitern war die Aneignung der Produktionsmittel eines der wesentlichen Ziele ihres Wirkens. Dieses Ziel ist heute weitgehend verloren gegangen – parallel zum Verschwinden vieler Fabriken in der nachindustriellen Gesellschaft.

Seit einigen Jahren tut sich jedoch etwas bei den Produktionsmitteln, und das an unerwarteter Stelle: Die sogenannte Maker-Bewegung hat sich vorgenommen, die Produktion in eigene, kleinere Hände zu nehmen. Möglich machen dies Fertigungsmaschinen, die entweder als „offene Hardware“ mit geringstem Kapitaleinsatz selbst gebaut werden können oder im Anschaffungspreis auch für Privatpersonen erschwinglich geworden sind. Ihre computerisierte Steuerung wiederum erlaubt, am Rechner erstellte Datenmodelle in physische Gegenstände umzusetzen, wofür der 3D-Druck das plakativste Beispiel darstellt.

Einer der Vordenker der Maker-Bewegung ist der Publizist Chris Anderson. Anderson hat nicht nur als ehemaliger Chefredakteur des Magazins Wired ein gutes Gespür für neue Trends des digitalen Zeitalters gehabt, mit der Gründung der Firma DIY Drones ist er selbst in die Maker-Kultur eingestiegen. In seinem Buch „Makers“ kündigt er nicht weniger als eine „nächste industrielle Revolution“ an, die den großen Industrieplayern zu schaffen machen und Produktionsmacht auf viele Orte und viele Akteure verteilen soll. Diese Maker umfassen, so Anderson, „eine große Bandbreite verschiedener Tätigkeiten, vom traditionellen Handwerk bis zur Hightech-Elektronik“. (S. 33) Insofern er sie zunächst in eine Linie mit dem Do-It-Yourself-Geist der Punkbewegung stellt, erkennt er das mindestens emanzipatorische Potenzial der Bewegung an. Er schreibt sogar: „Karl Marx würden vor Staunen sicher die Worte fehlen“, wenn plötzlich jeder zum Produzenten werden kann. (S. 38) Doch diesen Gedanken führt er nicht fort.

Stattdessen passt er die Maker-Idee schnell in die kalifornische Ideologie ein, jene Variante des Neoliberalismus, die Freiheit des Ausdrucks, Individualismus und sinnstiftende Arbeit mit Hochtechnologie und dem Streben nach satten Profiten verknüpft hat. Das wird zum einen deutlich, wenn Anderson den Werdegang seiner Firma DIY Drones – die Drohnen zum Selber-Bauen verkauft – quasi exemplarisch für das Potenzial der Maker-Bewegung schildert. DIY Drones ist auf rasant wachsende Umsätze ebenso stolz wie alle anderen Unternehmen im Silicon Valley und rundum, und um die Nachfrage zu befriedigen, lässt die Firma inzwischen im mexikanischen Tijuana, Standort für billige Lohnarbeit an der US-mexikanischen Grenze, fertigen. (S. 122f.)

Zum anderen durchzieht das Buch die Vorstellung, die Maker-Bewegung könnte, ja sollte zur Re-Industrialisierung der USA beitragen. Dies zeigt sich, wenn er Fälle auflistet, in denen amerikanische Hersteller einen Teil ihrer Produktion wieder aus China zurück in die USA verlegt haben. (S. 178f.) Oder wenn er sich für „Industrial Commons“  einsetzt, also geteiltes technisches Knowhow, um damit den Boden für Innovationen zu bereiten, die die amerikanische Wettbewerbsfähigkeit beim Herstellen von Dingen wieder stärken sollen. Ganz unverhohlen drückt er dies dann im Titel von Kapitel 14 aus, der lautet: „Die neue Gestalt der industriellen Welt. Der Westen kann wieder auferstehen.“ (S. 255)

Weil Anderson entscheidende Grundlagen des Kapitalismus nicht thematisiert, allen voran das Privateigentum an Grund und Boden sowie das Kapitalverhältnis, kann er davon träumen, die neue Automatisierung mit Hilfe intelligenter Industrieroboter, die für ihn ebenfalls ein Aspekt der Maker-Bewegung ist, könnte das Elend der Lohnarbeit überwinden. Er schreibt tatsächlich: „Mit dem Aufstieg der automatisierten Fabriken könnten die jahrhunderte-alten globalen Handelsströme hin zu billigerer Arbeit endgültig versiegen.“ (S. 162) Sprich: Der US-Arbeiter wäre nicht mehr der asiatischen Konkurrenz ausgesetzt, weil er selbst zum Produzenten wird. Warum dieser Befreiungseffekt, der bisher bei jedem Automatisierungsschub ausgeblieben ist, ausgerechnet dieses Mal einsetzen soll, wenn doch sonst alle Verhältnisse gleich bleiben, erklärt Anderson nicht.

Neben solchem industriepatriotischen Optimismus reproduziert er auch einen Gedanken, der durch die erste Blüte der noch jungen Internetbranche Mitte der 1990er widerlegt schien: dass es auf den Ort der Produktion nicht ankomme. „Ideen triumphieren über Geographie“, schreibt Anderson, der wissen müsste, dass es gerade die pulsierenden, kulturell verdichteten Metropolen San Francisco und New York City waren, in denen der Siegeszug des Internet begann. (S. 60) In Andersons Argumentation ist dies allerdings stimmig: Er sieht durch die Maker-Bewegung eine neue Heimindustrie entstehen, die eher mit dem kleinstädtischen Leben zusammen passe als dem in den Metropolen. So wirkt „Makers“ denn auch wie ein Plädoyer für die Erneuerung jenes „Middle America“, das in den vergangenen 30 Jahren ökonomisch unter die Räder des Neoliberalismus gekommen und dem das urbane Leben immer auch suspekt gewesen ist.

Trotzdem ist das Buch keine Zeitverschwendung. Denn bei aller unausgesprochenen Ideologie bietet es doch einen knappen und präzisen Überblick über die technischen Möglichkeiten, die sich in der Maker-Bewegung eröffnen. (nbo)