Das Projekt Libre Solar

LibreSolar OpenSource MPPT Laderegler

Seit einiger Zeit trifft sich im Fab Lab eine Gruppe, die einen Solar-Laderegler namens „Libre Solar“ baut. Wir haben uns mit Martin Jäger unterhalten, der das Projekt ins Leben gerufen hat und erklärt, worum genau es dabei geht.
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Fab Lab Fabulous St. Pauli: Martin, du hast einen Solar-Laderegler und eine dazu passende Elektronik für das Batteriemanagement entwickelt. Ähnliche Geräte gibt es ja schon auf dem Markt. Warum hast du dir die Freiheit genommen, das Rad noch einmal neu zu erfinden? Was ist das Besondere an deiner Elektronik?

Angefangen habe ich mit dem Projekt, weil ich besser verstehen wollte, wie Elektronik funktioniert. Ich hatte vorher kaum etwas damit zu tun und wollte gern mit einer spannenden, praktisch nutzbaren Schaltung loslegen. Die Besonderheit ist, dass es Open Source ist, so dass man die Geräte selbst erweitern kann. Man kann über eine Schnittstelle Daten auslesen und die Platinen frei programmieren. Auch die Schaltpläne kann man runterladen und nachbauen.

Wofür genau kann man die Geräte einsetzen?

Martin: Der Solar-Laderegler ist das Bindeglied zwischen einer Solarzelle und einer Batterie. Das kann zum Beispiel eine Bleisäure-Batterie wie im Auto sein. Der Laderegler konvertiert die hohe Spannung der Solarzellen auf die niedrigere Spannung der Batterie und passt dabei auf, dass man die Batterie nicht überlädt oder zu tief entlädt. Dafür gibt es einen Lastanschluss, an den die Verbraucher angeschlossen werden. Der würde abschalten, sobald die Batterie eine zu niedrige Spannung hat.

Libre Solar LadereglerWenn man Batterien mit Lithium-Ionen-Zellen verwenden möchte, ist die Überwachung und der Schutz vor Überladung noch viel wichtiger. Außerdem müssen die Zellen immer auf einer ähnlichen Spannung gehalten werden, durch sogenanntes „Balancing“. Deshalb benötigt man ein Batterie-Management-System.

LibreSolar

Zur Kommunikation zwischen den Komponenten des kleinen Energiesystems gibt es ein Kommunikationsprotokoll, das auf dem CAN-Bus basiert. So kann das Batteriemanagement dem Laderegler sagen: „Ich möchte jetzt auf eine bestimmte Spannung geladen werden.“

Wie viele Zellen kann man anschließen?

Bis zu fünf. Sinnvoll sind aber vier Zellen, weil man mit vier Lithium-Eisenphosphat-Zellen die gleiche Spannung erreicht wie eine 12-Volt-Batterie aus dem Auto.

Aber auch Standard-Laptop-Zellen mit etwas höherer Spannung von nominell 3,7 Volt pro Zelle können verwendet werden.

Bei welchen Spannungen liegen typischerweise Solarmodule?

Große Dachmodule haben meistens 60 Zellen. Eine Zelle hat 0,5 Volt, so dass ein Modul insgesamt 30 Volt hat. Batterien liegen bei 12 Volt, deshalb muss man die Spannung runterregeln.

Wie bist du beim Entwurf vorgegangen? Wie konntest du das Fab Lab dafür nutzen?

Man braucht eine Platine, auf die man die einzelnen Bauteile löten muss. Die Platine ist aber kompliziert selbst zu fertigen, weil die sehr kleine Strukturen hat und viele kleine durchkontaktierte Löcher. Wenn man die Platine per Hand fertigt, müsste man jedes einzelne Loch bohren. Das wäre zu kompliziert. Deshalb habe ich die Platine im Internet bestellt, aber hier im Fab Lab haben wir mit Axel Ideen entwickelt, wie man die Lötpaste sinnvoll auftragen kann. Das geht mit einem Stencil, den man am Lasercutter ausschneidet. Man schneidet aus dem Material die Stellen aus, wo man Lötpaste auf die Platine auftragen möchte.

Außerdem gibt es hier einen sogenannten Reflow-Ofen, in dem man die Bauteile, die man auf die Stellen mit der Lötpaste aufgebracht hat, anlöten kann.

LibreSolar MPPT Laderegler selber gelötet

Was waren die Schwierigkeiten bei dem Projekt?

Erst einmal sich in die Materie einzuarbeiten. Welche Bauteile aus der riesigen Auswahl am Markt nimmt man? Dann die Fertigung. Bei Geräten der Leistungselektronik, in denen viel Strom fließt, kann man mit Breadboards nicht viel anfangen. Da muss man Platinen fertigen lassen und mit guten Prozessen löten. Da war das Fab Lab mit dem Reflow-Ofen eine gute Hilfe.

Warum hast du dich dafür entschieden, die Ergebnisse deiner Arbeit zu veröffentlichen und anderen zur Verfügung zu stellen?

Weil ich hoffe, dass andere vielleicht die Idee gut finden und Lust haben, daran mitzuarbeiten. Das hat auch schon geklappt. Es sind schon einige Leute auf mich zugekommen. Außerdem gibt es im Internet, viel Unterstützung, wenn man Fragen im Bereich Elektronik hat. Arduino ist auch Open Source. Ich hoffe, dass sich in Zukunft eine Open Source Umgebung auch für Energiesysteme etablieren könnte. Das könnte auch für Entwicklungsländer interessant sein.

Du hast mit Arduino angefangen?

Ja, aber ich bin irgendwann an die Grenzen des klassischen Arduino gestoßen und dann zu einem 32-Bit-Microcontroller übergegangen.

Welche Vor- und Nachteile siehst du bei Open Source?

Vorteil, dass viele Leute mitmachen können und so bessere Produkte entstehen können. Nachteil, dass jemand das irgendwann mal kommerziell vertreibt, ohne sich an der weiteren Entwicklung zu beteiligen.

Neulich hat eine Hamburger Hochschulgruppe das Libre-Solar-System nachgebaut. Wie kam es dazu?

Das kam über Oliver vom Verein Open Source Ecology Germany, mit dem ich mal hier im Fab Lab eine Batteriemanagement-Platine aufgebaut hatte. Er hat dazu etwas veröffentlicht, und so ist einer der Studenten auf das Projekt aufmerksam geworden. Er hat mich kontaktiert, und wir haben gesagt: gute Idee, wenn man das zusammen macht. Dann habe ich das unterstützt.
LibreSolar Team

Was habt ihr dabei gelernt?

Der erste Schritt war, die Schaltungen nachzubauen, mit Stencil schneiden und verlöten. Wir haben gesehen, dass die manuelle Bestückung der Platinen doch ein gewisser Aufwand ist. Die Studenten studieren Automatisierungstechnik und Erneuerbare Energien. Aber auch in diesen Studiengängen lernt man gar nicht so richtig, wie man Schaltungen designt oder Elektronik praktisch anwendet.

Wenn ich das jetzt nutzen will: Muss ich mir die Elektronik selber machen? Was kostet das?

Im Moment muss man das noch selber machen und löten. Die Kosten liegen ungefähr, wenn man in Deutschland bestellt, bei 40 Euro für eine Platine. Für die Bauteile vom Laderegler kommen noch 50 bis 60 Euro oben drauf.

Das Problem bei Elektronik ist, dass man sehr viele Richtlinien erfüllen muss, wenn man sie legal verkaufen will. Bei Bausätzen geht das noch, aber wenn man eine fertige Platine verkauft, muss man einmal die Elektroaltgeräte-Verordnung einhalten, die wird durch ein kleines Mülltonnensymbol dargestellt. Und man muss Tests für elektromagnetische Verträglichkeit durchführen, um ein CE-Logo auf die Platine drucken zu dürfen. Das kostet alles sehr viel Geld. Deshalb habe ich das bisher noch nicht gemacht. Für das Mülltonnensymbol will ich jetzt mit einer Firma kooperieren, und für die elektromagnetische Verträglichkeit hoffe ich auf eine Kooperation mit der Uni.

Du hast die Platine mit der KiCAD-Software erstellt, die auch Open Source ist, und hattest sehr viel Arbeit damit.

Ich hatte vorher mit Eagle gearbeitet, das wurde dann von Autodesk gekauft. Die freie Nutzungslizenz wurde danach sehr stark beschränkt, die volle Nutzung war nur noch mit einem Abo möglich. Außerdem ist das Cloud-basiert, was zum Beispiel im Zug nicht funktioniert. Diese Lizenzpolitik war mir sehr zuwider.

Dann habe ich in den sauren Apfel gebissen, wie viele andere Open-Source-Nutzer, und mir eine neue Software angeeignet. Das war KiCad. Rückblickend habe ich das nicht bereut, denn KiCad bietet viele bessere Features.

Wieviel höher ist der Aufwand bei KiCAD gegenüber Eagle?

Gar nicht höher, wenn man weiß, wie beide laufen. Am besten arbeitet man sich gleich in KiCAD ein.

Wie können Interessierte das Projekt unterstützen?

Am besten bei mir melden, und dann schauen wir mal. Wenn es so weit ist, dass ich die erste Hardware anbieten kann, dann geht’s darum die Software zu optimieren – das Kommunikationsprotokoll, das User Interface, die Darstellung des Solarertrags. Wenn jemand mehr Lust auf Hardware-Entwicklung hat, können wir schauen, im Fab Lab eine Platine zu bauen.

 

 

 

 

Firmen können sich auch melden?

Klar.

Wo kann man die Elektronik dann einsetzen?

Zum Beispiel in Wohnwagen, um mit einer Solarzelle eine 12-Volt-Batterie zu laden. Dann in Entwicklungsländern, wobei bisher der Fokus nicht auf niedrigen Kosten liegt, sondern auf Vielseitigkeit, dass man damit weiterarbeiten kann.

Ein weiterer Fall wären „Guerilla-Photovoltaikanlagen“ auf dem Balkon. Das wird gerade legalisiert. Die könnte man dann mit Batterien versehen. Im Moment müsste man sich noch einen proprietären Wechselrichter zulegen, um den Strom ins 220-Volt-Wechselstrom-Netz einzuspeisen. Vielleicht gibt es aber auch irgendwann einen Open-Source-Wechselrichter.

LibreSolar Box Open Source Solar Battery Pack

Funktioniert der Laderegler auch für Windkraft oder Pedalkraft?

Pedalkraft geht ganz gut. Wenn man einen bürstenlosen Gleichstrom-Motor nimmt, wie er in vielen E-Bikes eingesetzt wird, kann man den als Generator verwenden. Man muss dafür nur einen simplen Gleichrichter aus ein paar Dioden bauen, und dann kann man den Laderegler auch mit einem Fahrrad nutzen oder mit einem Windrad. Übrigens kann man mit dem Laderegler auch Fahrrad-Akkus über Solar-Energie laden.

Sind dir Standards hinsichtlich Qualität und Umwelt wichtig, wenn du Platinen einkaufst?

Auf jeden Fall. Deswegen bestelle ich meine Platinen nicht in China. Ich werde auch die Fertigung nicht in China machen lassen. Es gibt dort zwar schon Firmen, die gute Arbeitsbedingungen haben und fair bezahlen, aber dafür muss man dann doch dorthin reisen und alles abklären. Deshalb werde ich das erst mal in Deutschland machen.

Elektronik ist hinsichtlich Umwelt- und Sozialstandards leider insgesamt ein schwieriges Gebiet. Lötzinn wird unter schlechten Bedingungen produziert. Das war auch beim Fairphone eines der Materialien, das auf faire Quellen geändert wurde. Es gibt den Verein Fair lötet…

…der im Dunstkreis des Fab Labs angesiedelt ist…

der faires Lötzinn anbietet. Allerdings haben sie bisher keine Lötpaste für SMD-Löten im Angebot. Der Zulieferer für das Fairphone ist eine Firma aus Österreich. Im Moment wäre es nur mit sehr hohem Aufwand möglich, die ersten Prototypen fair zu produzieren. Solange ich noch nicht in der richtigen Produktion bin, nutze ich deshalb noch konventionelle Lötpaste.

Blick nach vorne: Wo steht Libre Solar in zwei Jahren?

Dann gibt es den Laderegler hoffentlich mit wenigen Klicks im Internet zu bestellen, um einen einfacheren Einstieg ohne Löten zu haben. Und wir wollen die Open Source Idee in Entwicklungsländer bringen, da sind wir in Kontakt mit einer Uni in Dakar. Das wäre ein Traum, wenn das dann schon laufen würde.

Links:

Libre Solar Webseite

Libre Solar Open Source MPPT Solar Charger

LibreSolar case milled at the Fab Lab

first case prototype

LibreSolar Monitor
LibreSolar Open Source Solar Charger MPPT Laderegler