3D-Drucken und Lasercutten machen Spaß, keine Frage. Aber das ist nur ein Anfang. Es geht um mehr als lustige Gimmicks im Maker-Hype. Fabulous St. Pauli will auch erkunden, ob wir komplexere Geräte selbst bauen können. Mobiltelefone zum Beispiel. Gerade die sind das Konsumprodukt schlechthin: kurzlebig, statusbeladen, unter fragwürdigen Umständen produziert, dazu Blackboxes, bei denen sich Verbraucher auf das verlassen müssen, was die Hersteller hineingepackt haben.
Das DIY-Phone von David Mellis vom am MIT Media Lab in Cambridge ist einer von mehreren Versuchen, auch das Telefon zur Open Hardware, zur Technologie für alle zu machen, die man nach seinem eigenen Geschmack gestalten kann.
Fabulous St. Pauli zeigt in der mehrwöchigen Aktion Fábrica, dass man schlichte Telefone wie das DIY-Phone auch in der Stadt von heute herstellen kann, aus der die Produktion von Dingen weitgehend verschwunden ist.
Der Testlauf – La Fábrica en beta – dazu fand vom 16. bis 18.12.2013 im Gewerbe 5 (Beim Grünen Jäger 5) statt:
Das ist das Ergebnis:
Die Platine
In eine mit Kupfer überzogene Kunstharzplatte werden Löcher gebohrt. Die Platte wird anschließend mit Photolack überzogen.
Dann wird sie durch eine Maske belichtet, die das Muster der Kontakte und Leiterbahnen darstellt. Die Belichtung färbt den Fotolack an den freiliegenden Stellen dunkel.
Die dunklen Stellen werden weggeätzt, die hellen Stellen, an denen noch das Kupfer freiliegt, danach gereinigt.
Nun wird die ganze Platine mit einem dunkelgrünen Lötstopp-Lack beschichtet. Es folgt eine erneute Belichtung mit einer Maske, und der Lötstopp-Lack wird an den belichteten Stellen weggeätzt. Fertig.
Die Platine haben wir nicht selbst hergestellt, sondern bei einem Dienstleister nach David Mellis‘ Plänen machen lassen. Im Prinzip könnte man sie auch selbst herstellen, aber das ist sehr aufwendig.
Der Zusammenbau
1. Alle Bauteile auslegen und sich erst einmal einen Überblick verschaffen – was kommt auf der Platine wohin:
2. Wir fangen nun an, die Rückseite der Platine zu bestücken. Hierfür legen wir die mitgelieferte Maske auf die Platine:
3. Wir drücken die Lötmasse mit einer Spritze auf die Maske:
4. … und verstreichen sie mit einem Rakel, wie beim Siebdruck:
5. Die Maske wird abgenommen: Die Lötmasse ist jetzt überall da auf den Kupferkontakten, wo Bauteile aufgesetzt werden sollen:
6. Falls nötig, benetzen wir einzelne Kontakte ganz vorsichtig per Hand mit Lötmasse nach.
7. Wir setzen die Bauteile (hier: den GSM-Chip) behutsam auf die passenden Kontakte:
8. Kleine Bauteile (hier: den ATMEL-Chip) setzen wir mit einer Pinzette auf die Kontakte:
9. Die fertig bestückte Platine kommt nun in den „Pizza-Ofen“ (Reflow-Ofen), wo sie für 7 Minuten bis auf 220 Grad erhitzt wird:
10. Fertig: Alle Bauteile sind nun fest mit der Rückseite der Platine verlötet. Man könnte auch jedes Bauteile einzeln mit der Hand verlöten, aber Reflow-Öfen erleichtern hier die Arbeit ungemein.
11. Wir schauen unter dem Mikroskop schon mal nach, ob auch alle gut Kontakte verlötet aussehen:
12. Schritte 2 – 11 werden für die Vorderseite der Platine wiederholt, auf der unter anderem die Tastaturknöpfe sitzen. Die fertig gelöteten Platinenseiten sehen dann so aus:
13. Jetzt schlägt’s 13: Mit dem Schaltplan in der Hand überprüfen wir mit Hilfe eine Strommessgeräts, ob zwischen den Bauteilen auch tatsächlich leitende Verbindungen existieren. Falls nicht, sind die entsprechenden Lötkontakte nicht geschlossen. Diese Stellen weichen wir mit einer Heißluftpistole auf, damit sich die weiche Lötmasse mit beiden Kontakten verbinden kann:
14. Nun spielen wir die Software auf. Für die Stromversorgung verbinden wir die Platine über eine USB-Kabel mit dem Rechner, solange der Akku noch nicht eingebaut ist. Zuerst schieben wir mit dem AVR-Programmer (oben am Bildrand mit leuchender LED zu erkennen) den Bootloader auf die Platine:
Dann verbinden wir den FTDI über ein USB-Kabel mit em Rechner und schicken das Betriebssystem aufs Handy:
Es funktioniert: ein Anruf verpasst.
15. Wir bauen uns ein Gehäuse. Hier: aus dünnen Holzschichten mit einem Lasercutter. David Mellis hat in seinem Grundentwurf 6 Millimeter starkes Holz genommen. Man kann aber auch komplette Holzschalen ausfräsen (Bild Mitte), für jede Hälfte eine. Oder im 3D-Drucker welche aus Plastik herstellen.
Ist das DIY phone faire Elektronik?
Per se ist das DIY phone nicht fairer oder unfairer als andere Handys. Der entscheidende Punkt ist zunächst, dass es keine totale Black Box ist. Wir haben nun die Freiheit, bestimmte Bauteile nicht zu verwenden: zum Beispiel die beiden Tantal-Kondensatoren auf der Rückseite der Platine. Tantal stammt aus der Coltan-Produktion vor allem in Ost-Kongo, die seit Jahren die dortigen militärischen Konflikte verschärft hat. Stattdessen können wir etwa Aluminium-Kondensatoren verwenden. Auf diese Weise könnte man das gesamte DIY Phone nach Bauteil-Alternativen durchgehen.
David Mellis hat die Bauanleitung auf web.media.mit.edu/~mellis/cellphone/ angelegt. Die Hardware-Design-Files für Platine und Gehäuse liegen auf github.com/damellis/cellphone2hw – die Software auf github.com/damellis/cellphone/. Er gehörte schon 2005 zur Entwicklergruppe des Arduino Controllers. David hat auch sonst sehr interessante Projekte, es lohnt sich, auf seiner Seite zu stöbern: web.media.mit.edu/~mellis/
Die Veranstaltung wurde unterstützt durch die Kulturbehörde der Stadt Hamburg.