Das Peace Paper Project in der Lerchenhalle

Seit einiger Zeit hat das Fab Lab in der Lerchenhalle einen interessanten neuen Nachbarn: Drew Matott. Seine Spezialität ist das Herstellen von Papier. Vor einiger Zeit hat er schon einen großen Workshop im Fab Lab gegeben, wir haben ihm nun dazu einige Fragen gestellt:

Drew, wie bist du zum Papiermachen gekommen?

Zum ersten Mal während meines Studiums an der University of Buffalo, als ich 20 war. Fasziniert hat mich das erst, aber als ich lernte, dass man Papier aus alten Kleidungsstücken machen kann und dadurch eine direkte, persönliche Verbindung zum Material habe.

Und wie wurde das Peace Paper Project daraus?

Als ich dann irgendwann meine Familie besuchte, entdeckte ich in einer Kiste mit Sachen meines Vaters – er starb, als ich fünf war – ein Paar Blue Jeans und ein Taschentuch. Ich fragte meine Mutter, ob ich daraus Papier machen könnte. Sie fand das erst nicht so super. Am nächsten Tag sagte sie dann, du kannst das machen, wenn du auf das Papier seine Gedichte, Zeichnungen und Fotografien druckst.

Ich habe dann für jeden in der Familie ein Album gemacht, 13 insgesamt. Eins habe ich meinem Onkel gebracht, der sich mit meinem Vater über den Vietnamkrieg zerstritten hatte. Mein Vater hielt es für seine Pflicht, gegen den Krieg zu protestieren, mein Onkel hielt es für seine Pflicht, in Vietnam zu kämpfen. Die beiden haben danach kaum noch miteinander geredet. Als mein Onkel das Album aufmachte, hatte er Tränen in den Augen. Er hat sich das dann immer wieder angeschaut. Das war der Monent, als mir klar wurde, dass man mit Papier mehr machen kann als es einfach nur zu bedrucken.

Nach meinem Studium fing ich an, mit Veteranen aus den Kriegen im Irak und in Afghanistan Papier herzustellen, aus ihren Uniformen. Daraus wurde das Projekt „Combat Paper“. Heute ist das ein großes Programm in den USA, das Militär unterstützt es als Therapie für traumatisierte Soldaten.

2011 wendete ich mich anderen, marginalisierten oder traumatisierten Gruppen zu, wie Einwanderern oder Opfern sexuellen Missbrauchs. So entstand das „Peace Paper Project“, als eine andere Art von Therapie. Heute ist es eine internationale Organisation mit 35 Werkstätten weltweit.

Und du leitest diese Organisation?

Ja.

Wow!

In Istanbul haben wir zum Beispiel mit Waisenkindern gearbeitet. Wir haben das mit islamischer Kalligraphie verbunden, mit der traditionellen Papierherstellung in islamischen Ländern. So sind die Programme immer etwas anders, je nach Ort und Geschichte.

Die Verbindung hier mit Fabulous St. Pauli ist auch wieder etwas Besonderes. Wir haben die traditionelle Papierherstellung damit kombiniert, dass die Workshop-Teilnehmer sich ihre eigenen Buchumschläge für das Papier mit Lasercutter geschnitten haben. Das ist für mich ein großartiges Beispiel, wie man das an einem neuen Ort anders adaptiert.

Wie funktioniert das Papiermachen praktisch?

Zuerst haben die Teilnehmer, 23 insgesamt, die Kleider, die sich mitgebracht haben, kleingeschnitten.

Dann werden Textilschnipsel mit Wasser in einen Hollander Beater gepackt.

Hollander Beater?

Ja, die Maschine wurde im 17. Jahrhundert erfunden. Sie löst die einzelnen Baumwollfasern im Textil auseinander. Sie schlägt die Fasern sozusagen, bis am Ende Pulpe übrig bleibt.

Pulpe ist der Baumwollmatsch, der dann in die schwarzen Eimer kommt?

Ja, genau. Dann taucht man einen „mould & deckle“, einen bespannten Rahmen ein und schöpft damit die Baumwolle, während das Wasser durch die Bespannung in den Eimer zurückläuft, bis die Pulpe eine flache Schicht auf dem Rahmen bildet. Daraus wird dann ein Blatt Papier. Es dauert etwa einen Tag, bis es durchgetrocknet ist.

Wieviele Blätter bekommt man ungefähr aus einem T-Shirt heraus?

So zwischen 15 und 30.


Und aus einer Jeans?

Vielleicht 200 Blätter. Für ein T-Shirt braucht der Hollander Beater 15, 20 Minuten, für eine Jeans eine Stunde.

Die Leute beim Workshop haben die Pulpe-Schicht nach dem Schöpfen aber von den Rahmen heruntergenommen. Wie geht das genau?

Mit Filzmatten. Man legt das Filz auf die Schicht und dreht den Rahmen auf den Kopf, so dass die Schicht auf dem Filz liegen bleibt und der Rahmen abgenommen werden kann. Das macht man dann immer wieder.

Hier sind weitere Bilder aus dem Arbeitsprozess: